Kidnapping im Weserbergland
Vor 720 Jahren: Der Rattenfänger von Hameln
Donovan als "Rattenfänger von Hameln"
Der Tatort: eine Stadt im Weserbergland. Die Tatwaffe:
eine Flöte. Die Tat: Entführung in 130 Fällen. So ähnlich
würde sich die Sage des Rattenfängers von Hameln im Polizeiprotokoll
lesen. Am 26. Juni 1284 soll er als Jäger verkleidet mit seiner mysteriösen
Flöte 130 Kinder aus der Kleinstadt zwischen Hannover und Osnabrück
gelockt haben. Tatmotiv: Rache. Denn kurz zuvor hat der Fremde die Hamelner
Ratten mit Flötenmusik aus der Getreidemühlen-Stadt getrieben
und alle in der Weser ersäuft. Die Bürger prellen allerdings
den unheimlichen Landstreicher um seinen Lohn - sei es aus Geiz oder aus
Furcht, der Rattenfänger könne mit dem Teufel im Bunde sein.
Daraufhin kehrt der Unbekannte zurück und verschwindet mit den Kindern
auf dem nahe gelegenen Koppenberg. Sie alle sind niemals wieder gesehen
worden.
Der älteste gedruckte Bericht der Sage stammt aus der Mitte des 16.
Jahrhunderts. Schon hundert Jahre später wird der historische Wahrheitsgehalt
angezweifelt. Die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm verleihen der Legende
im 19. Jahrhundert schließlich Endgültigkeit und nehmen sie
in ihren deutschen Märchenschatz auf. Die Sage verbreitet sich international
als Lied, Gedicht, Bilderbuch, Theaterstück und Film. Der Rattenfänger
wird zum Synonym des bösen Verführers - für Politiker wie
Hitler und Stalin oder Sektengurus wie Bhaghwan und L. Ron Hubbard.
Die Stadt Hameln hingegen hat ihren Frieden mit dem Rattenfänger
gemacht und ihn sogar belohnt: mit einer Stelle als Vollzeit-Pfeifer in
der Tourismuszentrale. Jeden Sonntag musiziert er auf dem Marktplatz und
lockt so jährlich drei Millionen Gäste an die Weser. Mittwochs
werden im Musical "Rats" die Ratten aus der Stadt gesungen.
Wer lieber weiße Mäuse sehen will, trinkt den Hamelner "Rattenkiller"
- ein hochprozentiger Kräuterschnaps.
Stand: 26.06.04
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